Mein integrales Leben und das „Jane Austen Drinking Game“

girl-544307_1280 kleinerWie dem regelmäßigen Leser vielleicht schon aufgefallen ist, habe ich neben einer sehr ernsthaften Ader auch eine alberne Seite. Kürzlich habe ich auf Youtube einen Sketch gesehen, der sich „Jane Austen Drinking Game“ nennt und bei mir gleich zweifach gezündet hat.

 

Bildquelle: Pixabay

Zum einen habe ich einige ihrer Bücher mehrfach gelesen und die Filme dutzendfach geschaut und liebe sie einfach. Zum anderen ist da das Trinkspiel. Ich trinke heute gar keinen Alkohol mehr, bin aber seit meiner Zeit an der Universität Mitglied einer Studentenverbindung und habe daher noch eine nostalgische Affinität zu solchen Regeln.

Das Resultat dieser Kombi aus Jane Austen und Trinkspiel waren drei Typen, die sich „Sinn und Sinnlichkeit“ ansehen und sich beim Auftauchen bestimmter Dinge einen Schluck genehmigen mussten. Solche Dinge waren (Aufzählung unvollständig!) Klavierspiel, kleine Hunde, Rezitation von Poesie, weinen, Ausdrücke wie „esteem“ und „regard“ oder „spontane Reiterei“ (gilt nicht für Kutschen, sondern nur für Männer auf Pferden, die spontan herbeigaloppieren). Natürlich waren die Herren schon nach kurzer Zeit nicht mehr so gut beisammen, und der Schlusskommentar des einen war: „Wenn es Dir jetzt schon so geht, wirst Du ‚Stolz und Vorurteil‘ nicht überleben!“

Nachdem ich mich wie Bolle köstlich amüsiert hatte, likte ich das Filmchen auf Youtube, um kurz darauf zu sehen, dass jemand, den ich gar nicht kenne, auf Twitter einen Tweet von mir favorisiert hat. Ich konnte mich allerdings nicht erinnern, dass ich etwas getweetet hatte. Tatsächlich war es so, dass mein „Like“ auch auf Twitter kommuniziert wurde, weil ich auf Youtube eine Verlinkung zu Twitter und Google-Plus habe. Das hat mich weiter nicht gestört, aber es hat mir gezeigt, wie verzahnt all die Online-Plattformen sind. Fazit: wer heute verschiedene Seiten seiner selbst auseinanderhalten will, muss sich Online sehr in Acht nehmen.

Zum Glück will ich das nicht. Ich möchte überall derselbe Mensch sein, selbst wenn ich den einen oder anderen damit irritiere – und das ist gut möglich. Ich bin erst vor 11 Jahren zu einer glühenden Christin geworden, und manche Freunde und Bekannte aus früheren Zeiten reagieren vielleicht immer noch überrascht auf meine frommeren Facebook-Posts. Andererseits habe ich seit jeher den schrägen Humor, der auch vor Filmen wie „Life of Brian“ nicht Halt macht. Das kann dann wiederum meine Christenfreunde leicht verunsichern.

Natürlich sage und poste ich nicht ungefiltert alles, was mir einfällt. Ich sehe es als mein Recht, wenn nicht sogar meine Pflicht an, zu entscheiden, was ich öffentlich präsentiere und was nicht, und mir auch vorher Gedanken darüber zu machen, was für einen Effekt das allenfalls haben könnte. Ich lege es auch nicht darauf an, Menschen vor den Kopf zu stoßen. Aber ich möchte, dass der Mensch, der ich bin, überall erkannt wird. Ich will online, in der Kirche, in der Arbeit und Zuhause der gleiche Mensch sein – ich führe EIN Leben.

Das heißt nicht, dass ich in meinem Büro ein Riesenposter mit „Jesus liebt auch DICH“ hängen habe, sondern dass ich im Büro ein Verhalten an den Tag legen möchte, das für meinen Glauben spricht und im Einklang mit seinen Prinzipien steht. Es heißt auch nicht, dass ich meinen nicht frommen Freunden in epischer Breite von der neuen Worship-CD erzähle, die ich mir gekauft habe, aber dass sie wissen, dass mein Glaube integraler Bestandteil meines Lebens ist.

Das „Integrale“ geht natürlich auch in die andere Richtung. Es ist mir wichtig, in der Kirche auch den Menschen mitzubringen, als der ich groß geworden bin. Jeder Christ, egal, woher er kommt und wie lange er schon im Glauben unterwegs ist, bringt eine einzigartige Mischung mit. Zu meiner gehört eben, dass ich in einer Studentenverbindung bin, dass ich mir gerne „Star Trek“, Krimis und lustige Serien anschaue, dass ich einen schwarzen und manchmal albernen Humor habe, dass ich ein Eigenbrötler sein kann und meine Haushaltsführung sehr abenteuerlich ist.

Dieses „All in One“-Leben löst manchmal Fragen aus. Vielleicht steht auf jemandes „Was ein Christ lassen sollte“ etwas, das ich tue, und er wird mich deswegen als leicht zweifelhaft ansehen. Ein anderer ist vielleicht der Überzeugung, dass ein aufgeklärter, intelligenter Mensch sich nicht so absolut einem Glauben an Gott ausliefern kann. Aber für mich ist das „integrale Leben“ der einzige Weg. Ich kann und will nicht mehrere Menschen sein, und ich empfinde es als bereichernd, wenn andere auch die verschiedenen Aspekte ihrer Persönlichkeit in all ihre Beziehungen hineinlegen.

Wenn ich es aus dem Blickwinkel des Glaubens ansehe, wird es ganz einfach: meine Aufgabe als Christ ist es, Gott anzubeten. Und Anbetung heißt nicht Lieder singen oder ein Kreuz am Revers tragen: es heißt, dass mein Lebensstil auf Gott hinweist. Im Guten wie im Schlechten ist das, was bei anderen Menschen am meisten Resonanz findet und am lautesten für oder gegen den Glauben spricht, die Art, wie ich mein Leben führe.
Das wiederum kann mich einschüchtern, wenn ich mir wie so oft meine eigenen Kämpfe, Unzulänglichkeiten und Schwächen vor Augen führe. Aber Gott durch mein Leben anbeten heißt zum Glück nicht, krampfhaft zu versuchen, perfekt zu sein. Gott liebt mich auch in dem „unfertigen“ Zustand, den er jetzt vor Augen hat, und darum sollte man mir auch ansehen, dass ich mich trotz all dem, was ich selbst gegen mich ins Feld führe, geliebt fühle. Hier, jetzt, jeden Tag.

Und um das noch kurz und knackig und witzig auszudrücken, hier mein Slogan für Dich (ausgeliehen von Eckart von Hirschhausen per Facebook):

Sei wie Du bist – irgendwann kommt es sowieso raus.

P.S.: Aus meiner angeborenen Rücksicht habe ich das Video des „Jane Austen Drinking Game“ nur verlinkt. Wenn Du es Dir angesehen hast und es auch lustig fandest: vorhin habe ich noch den „Jane Austen’s Fight Club“ entdeckt. Wem’s gefällt!

Wie geht es Dir mit dem „integralen Leben“? Findest Du es schwierig, oder lässt bewusst bestimmte Aspekte Deiner Persönlichkeit „draußen“, je nachdem, wo Du bist? Oder bist Du überall „gleich, mit Schattierungen“? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

11 Comments

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  1. Hi Claudia, ich mag den Beitrag. Danke schön. Der Spruch von Eckard ist klasse. Ich zeige auch nicht gerne alle Seiten von mir „öffentlich“.. Schönen Tag für Dich. Claudi

  2. Wow … also nach dem Titel dachte ich zuerst – „Jane Austen Drinking Game“ … was schreibst denn da schon wieder. Soll ich das jetzt echt lesen … aber hat sich gelohnt, sehr guter Text.

    Und ja – vor der Herausforderung „authentisch“ zu sein, steht vermutlich jeder. In meiner Jugend hat mal ein Freund zu mir gesagt: „Er findet es so toll, dass ich überall anders bin, und mich so jeder Gruppe gut anpassen kann“ … er hat das echt als Kompliment gemeint, aber ich fing da erst an, nachzudenken! Irgendwie hatte er echt einen ziemlich wichtigen Punkt berührt – ich wollte immer „anerkannt“ sein, „dabei sein“ war extrem wichtig für mich. Ich konnte innerhalb von wenigen Augenblicken „abchecken“, was in dieser oder jener Gruppe für Verhalten „gefordert“ war … und mich dann anpassen.

    Das ist nicht NUR schlecht – aber es führte dazu, dass ich echt nicht mehr wusste, wer ich eigentlich WIRKLICH bin. Irgendwie braucht man manchmal jemanden von außen, der einen darauf stößt, damit man überhaupt was verändern kann …

    🙂

    • Habe mir schon gedacht, dass der Titel leicht provokant ist, aber dann habe ich mir gesagt: eben drum 🙂 Was Du da schreibst, erinnert mich extrem an mich selbst! Ich kann das mit dem „Abchecken“ immer noch gut, und ein Teil von mir möchte immer noch überall gemocht werden und dazugehören. Aber der andere Teil hat doch gelernt, dass ich anderen etwas Wichtiges vorenthalte, wenn ich immer Angst vor Reaktionen habe. Wenn ich jemandem nicht sage, was er hören muss, nur damit er mich weiter „mag“, tue ich ihm keinen Gefallen…! Trotz allem bin ich immer noch eher ein unauffälliges Wesen, das sich gern in den Groove einfügt, wenn’s geht 🙂

  3. Wunderbar, ich habe einige Bücher von Jane Austen gelesen und zig Verfilmungen ihrer Werke gesehen:D, Ja auch ich bin einfach Ich mit allen Ecken und Kannten 😀 . Zwar teile ich wenig Eigenleben auf meiner Website, das liegt aber nicht daran, dass ich mich versteckem müsste oder wollte sondern weil diese Bloggs eben wirklich nur das weitergeben was mir der Herr aufs Herz legt weiterzugeben 😀 . Ein fernsehabend mit dir zusammen wäre wirklich lustig bis auf „Das Leben des Brian“ wäre ich sowohl bei Star Treck wie auch Krimis und natürlich Jane Austen gern dabei :D. Ich halte authentisch sein für eines der wichtigsten Dinge. Ich kann mich nicht in jede Gruppe anpassen (ist einfach so), Ich sag immer bei mir gibts nix dazwischen entweder man mag mich oder man mag mich nicht. In vielen Dingen bin ich, denke ich mal, zu ehrlich. Ich würde mir wünschen mehr (oder überhaupt etwas) Diplomatie zu besitzen. Leider geht mir Diplomatie völlig ab.

    • Liebe Daniela, ist ja lustig, wie viele gemeinsame „Likes“ wir haben :-)! Ich kann gut nachvollziehen, was Du über Deinen Blog sagst; man muss einfach spüren, was man teilen soll. Mein Blog hat sich zu dieser Mischung entwickelt, in der ich auch persönliche Dinge teile. Was Diplomatie betrifft, kann man auch zuviel haben…könnte etwas abgeben 🙂 Authentisch und ehrlich sein, finde ich auch etwas vom Wichtigsten 🙂

  4. Also den Film Stolz und Vorurteil den schaue ich rauf und runter und ich könnte wohl schon selber mitspielen, sooft wie ich den gesehen habe und künftig noch sehe 😀

    Ich hab mir abgewöhnt mir verschiedene Gesichter zuzulegen…ich bin wie ich bin und ich bin nicht wie man mich haben will. Gut damit kommen die einen gut klar und die anderen weniger. Somit habe ich mehr von ersterem und die letzteren sind dann notwendiges Übel. Und ja ich führe ein integrales Leben und manchmal würden das sozusagen auch meine „Christenfreunde“ irritieren…Claudia ich glaub manchmal schon dass wir uns verdammt ähnlich sind *ups für das verdammt* 😀

    • Also eine verwandte Seele in Sachen Stolz und Vorurteil – der ist auch mein Favorit :-D! Finde ich genial, dass Du auch nur „ein“ Leben lebst; ich glaube auch, dass wir damit sowohl unter Christen als auch sonst mehr Gutes als Schlechtes bewirken. Und was das „verdammt“ betrifft – ich hatte auch eins davon in meinem Buch gelassen…! 😀

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