Ich habe lange keinen Snack mehr fabriziert – dafür ein heftiges Mea Culpa! Grund dafür war nichts Tragisches, sondern dass ich intensiv an der Überarbeitung meines Buches werkle und auch sonst viel läuft. Heute will ich endlich wieder einmal ein paar Gedanken teilen, und vielleicht wird es etwas schwer verdaulich, denn es geht um das Thema Zerbruch.

Wann wird aus einem Problem eine Krise, wann aus der Krise der Zerbruch? Wenn das Fundament unseres Lebens wankt oder bricht, wenn das, worauf wir unsere Identität bauen und woraus wir unsere Kraft ziehen, Gefahr läuft, sich in Nichts aufzulösen.

Wenn man diese von mir fabrizierte Definition liest, könnte man sich als Christ auf die fromme Wolke setzen und behaupten, dass der oder die Zerbrochene auf ein falsches Fundament gebaut hat. Ist nicht das einzige, was uns wirklich trägt, Gottes Liebe und der Wert, den wir aus seiner Liebe zu uns geschenkt bekommen haben, der Wert, den niemand uns nehmen kann?

Frei nach Radio Eriwan: Im Prinzip Ja. Aber seien wir ehrlich: Niemand lebt nur aus Gottes Liebe, und auch wenn wir fest in dieser Liebe verwurzelt sind, haben wir alle auch andere Bereiche im Leben, die für unser inneres Gleichgewicht und unser Wohlergehen wichtig sind.

Zerbruch deutet darauf hin, dass nicht nur eine, sondern alle Grundlagen wanken – oder zumindest alle, die für uns von Bedeutung sind. In manchen Fällen kann so auch der Zerbruch einer einzigen Grundlage unser ganzes Leben ins Wanken bringen.

Ich habe einen solchen Zerbruch vor über zehn Jahren erlebt, als eine Beziehung zu Ende ging. Alles andere in meinem Leben – meine Familie, meine Arbeit, meine Beziehung zu Gott – blieb damals bestehen, aber es half nichts, weil ich meinen Lebenssinn, meine Identität und meinen Wert daraus bezog, dass ich einen Partner hatte, mit dem ich gemeinsam in die Zukunft blicken konnte. Als er mich verliess, war diese Grundlage verschwunden, und ich blickte ins wüste Nichts. Ich konnte mir nicht vorstellen, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen ohne einen Menschen, der mein Leben teilte, und so sehr ich mich auch bemühte, an dieser Idee gefallen zu finden: Es funktionierte nicht.

Einige Zeit nach der Trennung machte ich einen Trip zu Ikea und kaufte unter anderem zwei identische Tassen, auf denen riesige, rot-violette Herzen prangten. Das kitschige Design hatte es mir angetan, und ich stellte mir vor, dass diese Tassen das Symbol für die nächste Beziehung seien, die Gott schenken würde. Irgendwann in nicht so ferner Zukunft – so meine Hoffnung – würde ich mit einem geliebten Menschen aus diesen Tassen trinken und glücklich sein. Aber als ich Zuhause meine Sachen auspackte, fiel eine der Tassen auf den weissen Plattenboden und zerbrach.

Es war nur eine Ikea-Tasse, aber in dem Moment war diese Tasse weit mehr. Mit ihr zerbrach mein Traum und meine bisher einzige Strategie, Glück und Geborgenheit zu finden. Der lächerliche Verlust traf mich tief, und heute glaube ich, dass Gott erst in diesem Moment mit der Botschaft zu mir durchdrang, die er mir seit dem Ende der Beziehung hatte geben wollen:

«Ich habe für Dich im Moment keinen Partner. Lass mich dieser Partner sein.
Richte Deinen Blick jetzt auf mich, und alles andere wird sich weisen.»

In den kommenden anderthalb Jahren lernte ich, mein Leben auf andere Grundlagen zu stellen; nicht auf einmal, sondern Tag für Tag mehr. Irgendwann kam der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass ich mein Leben tatsächlich auch ohne Partner lebenswert und wertvoll fand. Ich war damals 36 Jahre alt, und das erste Mal glaubte ich, dass ich auch glücklich sein konnte, wenn nie mehr ein Mann in mein Leben treten würde. Es war der Moment, in dem mein neues Leben anfing.

Es hat sich dann doch noch ein Mann gefunden, der es wagen wollte, und ich bin glücklich darüber. Aber ich bin noch glücklicher darüber, dass ich nicht geheiratet habe, weil er der letzte sein könnte, der Interesse zeigt, oder – ganz nach «When Harry met Sally» – damit ich sagen konnte, ich war verheiratet, sondern weil es richtig war.

Mein Zerbruch damals war massiver, als es von aussen ausgesehen haben mag. Alles, was ich gewesen war, lag in winzigen Scherben vor mir; ich konnte es nicht mehr zusammensetzen. Und das war gut so. Denn hätte nur eine Ecke gefehlt, hätte ich sie einfach wieder angeklebt, so gut es ging. So aber konnte Gott das Material nehmen und neu zusammensetzen, etwas daraus machen, das ich vorher nicht gesehen hatte.

Bin ich ganz anders aus der Krise herausgekommen? Oberflächlich betrachtet vielleicht nicht. Aber in meinem Kern hat sich etwas Tiefgreifendes verändert, und diese Veränderung trägt mich bis heute. Sie führt dazu, dass ich meine Entscheidungen nicht aus Angst treffe, etwas zu verlieren, denn was am wichtigsten ist, kann mir niemand nehmen.

Aus wem oder was ich Sinn und Wert beziehe, das prägt und kontrolliert mich. Wenn mein Wert daran hängt, wieviel Geld ich habe, schiele ich ängstlich auf den Kontostand. Hängt er an meinem Partner, bemühe ich mich angestrengt, ihn oder sie bei Laune zu halten, und treffe vielleicht falsche, aus Verlustangst getriebene Entscheidungen. Hängt mein Wert an meinem beruflichen Erfolg, setze ich mich täglich unter Druck, besser zu sein als andere.

Wenn ich meine Identität in Gott finde, der mich geschaffen hat, und im Wert, den er mir gegeben hat, kann ich mein Leben freier und kühner leben. Ich werde dennoch auf meinen Kontostand achten, werde zu meiner Partnerschaft Sorge tragen und in dem, was ich tue, mein Bestes geben, aber ich tue es nicht aus Angst, sondern weil es das Richtige ist, im Wissen, dass nicht alles, was geschieht, in meiner Macht liegt.

Nicht immer wird das Zerbrochene wieder ganz werden. Aber wenn ich bereit bin, Gott die Dinge zusammensetzen zu lassen, kann etwas Neues entstehen – ich kann neu erstehen.

Jedem, der im Moment Zerbruch erlebt, möchte ich diese Worte zusprechen.

Füsse SprungWer sein Christsein öffentlich und leidenschaftlich lebt, muss mit bestimmten Reaktionen rechnen. In Diskussionen wird man schnell auf all das hingewiesen, was Christen so auf dem Kerbholz haben, und sind die Verbrechen früherer Zeiten abgehandelt, geht es genüsslich weiter mit der Erwähnung derjenigen berühmten Mitchristen, die gerade aus unappetitlichenGründen die Schlagzeilen dominieren. Damit kann ich leben. Allerdings beschäftigt mich das zugrunde liegende Prinzip, wenn ich es auf die persönliche Ebene herunterbreche.

Von hundert Leuten liest einer die Bibel, und neunundneunzig lesen den Christen – so hat es ein Erweckungsprediger einmal ausgedrückt, und das spiegeln auch die obigen Erfahrungen. Was wir tun und lassen, wird von anderen registriert und dem Christentum zum Wohl oder Wehe angerechnet.

Was die Furcht vor Meinung und Urteil der Menschen betrifft, habe ich zum Glück festgestellt, dass ich mit fortschreitendem Alter immer unempfindlicher dafür werde. Dennoch beschäftigen mich meine tönernen Füße, und meistens genau dann, wenn ich gefordert bin, mich noch mehr für meinen Glauben zu exponieren. Dann höre ich die Stimme, die Du vielleicht auch schon gehört hast. „Wieso willst ausgerechnet DU mit Deinem [man setze die Schwäche oder das Fehlverhalten ein, das einem am meisten beschämt] anderen erzählen, wie Dein Glaube Dich verändert und befreit hat?“

Wie gehe ich damit um, dass mein Grad an Heiligkeit für andere über die Tauglichkeit des Christentums entscheidet, wo ich doch genau weiß, dass ich trotz aller Bemühungen nie genügen kann?

Mich ermutigt der Gedanke, dass Gott seit jeher normale, fehlbare Menschen für sein Reich eingesetzt hat, die keineswegs immer zur geistlichen Elite gehörten. Als David zum nächsten König bestimmt wurde, war er der Kleinste seiner Familie und hütete Schafe. Einige der Jünger Jesu waren Fischer und vorher sicher nie bei einem Rabbi in der Lehre gewesen. Matthäus war Zöllner und übte damit einen Beruf aus, der einen äußerst schlechten Leumund hatte.

Genauso wenig zeichneten sich die Erwählten durch Fehlerlosigkeit aus: David, Noah und Gideon (um nur drei zu nennen) wirkten Großes für Gott, ließen sich aber auch Ehebruch, Trunkenheit und Feigheit vor dem Feind zuschulden kommen. Und was erfahren wir über das Verhalten der Jünger in Neuen Testament? Hat ihre Erwählung durch Jesus sie so geadelt, dass sie jeden Test bestanden?

Auch sie vollbrachten Großes und scheiterten dennoch immer wieder an sich selbst. Petrus wagte sich zu Jesus aufs Wasser, verlor dann den Mut und ging unter. Er versprach großspurig, für seinen Herrn in den Tod zu gehen, um ihn dann wie alle anderen in der Stunde der Not zu verlassen und zu verleugnen. Die Donnersöhne Johannes und Jakobus stritten sich darum, wer im Reich Gottes neben Jesus sitzen dürfe, und der später berufene Paulus sah es vor seiner Bekehrung in Damaskus als seine Lebensaufgabe an, die Jünger Jesu zu verfolgen und zu vernichten. Er blieb ein streitbarer Geist, obwohl er die meisten Briefe des Neuen Testaments schrieb und trotz seiner Pharisäervergangenheit zu den Nichtjuden geschickt wurde.

Gott beruft nicht die Fähigen – er befähigt die, die er beruft. Und er beruft nicht nur die starken, abgeklärten spirituellen Lehrer in seinen Dienst, sondern mehrheitlich normale, bedürftige Menschen mit Schwächen, die sich von ihm gebrauchen lassen, daran reifen und deren Lebensfrüchte für sich und vor allem für ihn sprechen. Das befreit auch mich darin, für ihn zu wirken. Gott setzt mich für sich ein, obwohl ich nicht perfekt bin.

Dass ich nicht aus mir heraus vollkommen bin, macht mir zudem klar, dass ich Gott brauche, und lässt keinen Platz für übermäßigen Stolz auf meine eigene Leistung. Gleichzeitig wächst mein Bewusstsein dafür, dass ich nur angedockt an ihn in der Lage bin, meine Aufgabe zu erfüllen. Jesus sagt klar, dass wir Reben an seinem Weinstock sind und nur in Verbindung mit ihm tun können, wozu wir bestimmt sind, und lieben können, wie er geliebt hat. Und das ist es, was andere wahrnehmen.

Menschen spüren, ob wir sie als Trophäen in unserem Bekehrungspalmares sehen oder an ihnen als Menschen interessiert sind, ob wir Ruhm und Ansehen für uns anstreben oder unseren Gott groß machen wollen. Und Menschen werden von Menschen berührt – von Echtheit, von Veränderung, von der Liebe, die ihnen entgegengebracht wird. Unsere Aufgabe, Menschen von der Strahlkraft des Evangeliums zu überzeugen, gelingt am besten, wenn in uns das Resultat der erfahrenen Liebe Gottes durchschimmert – in einem befreiten, liebevollen Auftreten und im Bewusstsein, dass ich weiß, wem ich mein Leben und meine Veränderung verdanke. Nicht mir selbst oder irgendwelchen geistlichen Klimmzügen (auch wenn Wille zur Veränderung und Disziplin wichtig sind), sondern zuerst und vor allem Jesus.

Gott gebraucht uns und nimmt uns in seinen Dienst, wie wir sind: Auf dem Weg, entwicklungsfähig, heilungsbedürftig und mit Schwächen behaftet. Er geht mit uns und hilft uns, seinem Sohn, dem menschlichen Abbild seiner selbst, ähnlicher zu werden.

Mich ermutigt das, immer und überall dazu zu stehen, dass ich ein „Work in Progress“ bin. Ich mache Fehler, manchmal kleine, manchmal auch größere, aber aus jedem gehe ich als Mensch hervor, der etwas dazu gelernt hat. Ich werde mein Leben lang den Status „in Bearbeitung“ tragen, aber das ist in Ordnung. Denn ich lebe in der Hoffnung, dass ich mit jedem Tag, an dem ich mich seiner Führung unterstelle, meinem Herrn ähnlicher werde, und in der Gewissheit, dass ich am Tag meines Todes, endlich „vollendet“, in seine Herrlichkeit eingehe.

Wie geht es Dir mit Deinen Schwächen und Unzulänglichkeiten? Lebst Du gemäß der Devise „frisch, fromm, fröhlich, frei“, oder plagen Dich Gedanken, dass Du nicht genügst? Mach Dir bewusst, dass Deine Fehleistungen der Vergangenheit hinter Dir liegen und auch alles Zukünftige bereits vergeben ist. Das meint nicht „billige Gnade“ oder „machen, was immer ich will“, sondern ein befreites Leben im Bewusstsein, dass Jesus nicht für die in ihren Augen „Gesunden“ gekommen ist, sondern für die Menschen, die wissen, dass sie Gott brauchen.

Und er freut sich, dass Du ihn brauchst – zuallererst, damit Du jeden Tag mit dem Bewusstsein beginnen kannst, dass nichts und niemand Dich von der Liebe Gottes trennen kann.